„Ich schaff’ das schon alleine!“

"Ich schaff' das schon alleine!"

„Ich schaff’ das schon alleine!“

Warum dieser Satz die größte Ausrede ist, mit der Du Dich selbst in Deiner Entwicklung und in Deiner Partnerschaft behinderst.

Du hast ein Problem mit Deinem Partner, das Dich schon sehr lange belastet und Dir Deine Lebensenergie raubt. Du trägst es mit Dir alleine aus, willst niemandem damit zur Last fallen: “Ich schaff’ das schon alleine!”?

Es ist Dir unangenehm, darüber zu sprechen. Auch ist es Dir wahrscheinlich unangenehm, es einem fremden Menschen zu erzählen. Du schämst Dich vielleicht dafür, dass Du dieses Problem hast, denn Probleme gehören nicht in Dein Weltbild und Dein Bild von intakter Liebesbeziehung. Was wird dieser fremde Mensch denn wohl über Dich denken?

Nun könntest Du in einem professionellen Paar-Coaching Hilfe bekommen, mit der Du Dein Problem sehr rasch lösen und  wieder glücklich, ausgeglichen und zufrieden sein könntest. 

Dafür müsstest Du allerdings einige innere Hürden überwinden, bis der Weg frei wäre, damit Du Hilfe annehmen könntest. 

Am Ende dieses Artikels wirst eine Idee davon Haben, weshalb Du Dir selber schadest, wenn Du denkst, Du müsstest alles immer noch allein schaffen. Ich werde diesen Glaubenssatz, der Dich an Deiner Weiterentwicklung hindert, so pulverisieren, dass nichts mehr von ihm übrig bleibt. (P.S.: “pulverisieren”: Das Wort kenne ich von Judith Peters.)

Warum der Satz „Ich schaff’ das schon alleine!“ sehr wahrscheinlich falsch und für Dich gar nicht stimmig ist. 

Erinnere Dich bitte mal zurück in Deine frühe Kindheit:
Kann es sein, dass Du bereits damals immer alles alleine machen wolltest?
Lieber etwas selber tun, als es von Mama und Papa fertig vorgesetzt zu bekommen?
Vielleicht warst Du auch ein Kind, für das Mama und Papa immer alles gemacht haben, so dass Du gar keine Chance hattest, mal was selber zu machen?

„Ich schaff’ das schon!“ – welche Erinnerungen weckt dieser Satz in Dir?

War das vielleicht ein Satz, den Deine Mutter immer gesagt hat, den Du immer und immer wieder gehört hast, als Du noch jünger warst?
Konnte Deine Mutter fremde Hilfe annehmen?
Oder Dein Vater?

Du wirst Dich fragen, was das mit Dir in Deiner jetzigen Situation zu tun hat. 

Aus meiner Sicht sehr viel; denn dieser Satz stimmt aktuell jedenfalls nicht auf Deine Lebenssituation. Wenn Du es schon alleine schaffen würdest: Warum, bitte, hast Du dann noch dieses Problem und leidest daran?

Für mich sieht alles danach aus, dass Du es aktuell eben ganz und gar nicht alleine schaffst!

Wie reagierst Du überhaupt darauf, wenn Dir Hilfe angeboten wird? Wenn jemand Dir schwere Sachen tragen will, Dir auf der Arbeit Arbeit abnehmen will?  

Bist Du da auch misstrauisch und lehnst dankend ab mit den Worten: Danke, ich schaffe das schon?

Du fühlst Dich vielleicht unbehaglich bei dem Gedanken, ein größeres Geschenk von jemandem zu bekommen?

Vielleicht denkst Du auch: Das habe ich nicht verdient. Ich kann das nicht gut annehmen. 

In diesen Sätzen steckt mehr emotionaler Sprengstoff als man es ihm auf den ersten Blick ansieht. Denn vielleicht denkst Du auch im übertragenen Sinne: “Das habe ich nicht verdient!”, und zwar in Bezug auf Deine aktuelle Beziehungssituation. Ich meine dies in dem Sinne, dass Du vielleicht der Ansicht bist, Du verdientest es nicht, kein Problem mehr zu haben und einfach glücklich zu sein?

Vielleicht wehrst Du den Gedanken jetzt ab. Doch ich erlebe es sehr oft, dass gerade Frauen eine innere Haltung, einen alten Glaubenssatz als Überzeugung in sich tragen, dass sie es nicht verdienen, ihre Situation so zu verbessern und zu verändern, so dass sie glücklich sind. (das heißt insbesondere : glücklicher als die Mama, glücklicher als die Oma und glücklicher als alle anderen Frauen in dieser Familie oder als eine spezielle Frau in der Familie…)

Nehmen und Geben

„Ich schaff’ das schon alleine!“ …das bedeutet im Klartext:
Du kannst keine Hilfe, keine Unterstützung annehmen. Das Leben besteht allerdings aus dem Nehmen und dem Geben. 

Vielleicht wurde Dir als Kind auch immer wieder eingebläut, dass Geben seliger sei als Nehmen. Das ist einer der vielen christlichen Grundsätze, die leider viel zu wenig auf ihren Sinngehalt hin hinterfragt werden und deshalb leider auf völlig unpassende Situationen angewendet werden.

Viel zu vielen Frauen wurde eingeredet, dass es egoistisch ist, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Deshalb verbieten sie sich selber das Nehmen, Annehmen und deshalb geben sie viel lieber, als dass sie nehmen. 

Das Leben ist jedoch nur dann in einem guten Fluß, wenn  das Verhältnis zwischen dem Geben und dem Nehmen ausgewogen ist. 

Was auch immer Dein guter Grund dafür ist, dass Du der festen Überzeugung bist: „Ich schaff’ das schon alleine!“, es hindert Dich daran, ein Hilfeangebot anzunehmen, sei es nun gratis oder gegen Bezahlung. Etwas zu nehmen, anzunehmen, das könnte Dich ja schließlich in eine Abhängigkeitssituation bringen? Du könntest jemandem etwas schuldig sein? Wenn Du Hilfeangebote von außen abwehrst, so verzichtest Du auf den Genuss von Verbundenheit und Nähe. 

Und: Du verzichtest leider auch darauf, Deine Situation, an der Du leidest, mit der Du aktuell leider ganz und gar nicht alleine klar kommst, zu verändern. Du verhinderst geradezu die Veränderung.

Ich frage Dich nochmals und sei einmal ehrlich zu Dir:
Wenn Du es tatsächlich alleine schaffen würdest: Warum hast Du es bis heute dann nicht geschafft und fühlst Dich immer noch schlecht in dieser für Dich unerträglichen Situation?

Ich habe mal ein paar  Gründe zusammen getragen, die wahrscheinlich auch noch ein Grund für Dich sein könnten, an Deiner Überzeugung fest zu halten, es alleine schaffen zu können…

  1. Ein Grund könnte sein, dass Du Intimität und Nähe per se abwehrst.

    Du bist vielleicht der Ansicht, dass Du dich verletzlich und angreifbar machst, wenn Du offen zeigst, dass Du Unterstützung brauchst. Du hast vielleicht auch Angst, vor Deinen eigenen Gefühlen, die sich dann in Dir bemerkbar machen würden, wenn Du Hilfe annehmen würdest: Gefühle des Angerührtseins, der Scham?, der Hilflosigkeit? Des sich klein Fühlens? Des -sich-wieder-so- klein-Fühlens, so wie früher?

    Um etwas anzunehmen, musst Du nicht nur Deine Hände öffnen, sondern auch Dein Herz. 

    Es entsteht eine tiefere Verbindung zu Dir und dem Menschen, der Dir hilft. Vielleicht hast Du große Angst gerade vor dieser Verbindung? Vielleicht befürchtest Du, dass Deine Helferin Dich zurückweisen und verlassen wird, wenn sie von Dir Deine innersten Empfindungen erfährt? Du denkst Dir vielleicht: Bevor ich zurück gewiesen werde, verzichte ich lieber von Anfang an auf das Angebot und sage lieber ‘mal: “Nein, danke!”?

    Hast Du die innere Überzeugung: „Zähne fest zusammenbeißen und durch!“? Kann es sein, dass Du als kleines Mädchen in schwierigen Situationen die Erfahrung machen musstest, dass niemand für Dich da war, der Dir hätte helfen können? Hattest Du das Erleben, dass Du es alleine schaffen musstest? Dann liegt klar auf der Hand, dass Du auch heute der inneren Überzeugung bist, dass Du es alleine schaffen müsstest.

    Wurden früher Deine Wünsche vielleicht zurück gewiesen oder ins Lächerliche gezogen? Wenn Du einmal oder sogar öfters als kleines Mädchen erlebt hast, dass Du zurück gewiesen wurdest, wenn Du um etwas batest, so kann es sein, dass Du Dich bis heute schützt, indem Du erst gar nicht mehr zeigst, was Du brauchst oder was Du Dir von anderen wünschst. (apropos: könnte das vielleicht sogar Dein zentrales Paarproblem sein?…)
    Vielleicht wurde Dir sogar so oder ähnlich gesagt: „Schäm Dich!“ oder “Wie kannst Du es wagen, einen Wunsch zu äußern!”?

    Indem Du Dich erfolgreich vor Enttäuschungen schützt, schneidest Du Dich allerdings von anderen ab und fühlst Dich auch entsprechend isoliert und abgeschnitten:  Einerseits brauchst Du die Unterstützung und Verbundenheit, andererseits verhinderst Du sie gerade durch Deine Abwehrmuster.

  2. Solange Du etwas ablehnst, behält Du die Kontrolle.

    Deshalb fühlst Du Dich wahrscheinlich immer deutlich wohler in der Rolle der Gebenden. Damit kannst Du Dich immer groß und gut und edel fühlen, denn das Geben hat einen guten Ruf. Wenn Du Hilfe annimmst, weißt Du nicht, was dann passiert. Du könntest in eine Situation kommen, in der Du in Tränen ausbrichst, weil Du in Deinem Innersten berührt wirst. Du könntest es als Blöße erleben- wahrscheinlich so, wie Du es früher schon erlebt hast, als Du noch das kleine Mädchen warst und vergeblich um etwas gebeten hattest. 

    Du könntest Dich wieder beschämt fühlen, doch dieses Gefühl der Scham kennst Du von früher und willst es um nichts in der Welt noch einmal erleben müssen. Deshalb machst Du Dich lieber hart wie ein Kiesel sagst : “Ich schaff’ das schon alleine!”…
    Du signalisierst Stärke, obwohl Du Dich eigentlich innerlich ganz und gar nicht stark fühlst, sondern einsam und hilflos.

    Es kann sogar sein, dass Dir damals, als Du noch ein kleines Mädchen warst, Deine engsten Verwandten das Gefühl gegeben haben, dass etwas mit Dir nicht stimmt, („Heulsuse“), bloß weil Du weinst, an einer inneren Grenze bist und einfach nicht mehr weiter weißt. Oft kam vielleicht der klassische Satz: “Ein Indianer kennt keinen Schmerz!”

  3. Es gibt sie noch: Die Überzeugung, dass es egoistisch sei, etwas zu empfangen.

    Viele Mädchen sind so erzogen worden, dass sie zurückhaltend zu sein haben und möglichst wenig Raum  einnehmen sollen. Wenn Du Dir nicht zugestehst, Raum für Dich selbst einzunehmen, dann kann es sein, dass es Dir peinlich ist, weil Du meinst, andere könnten Dich für egoistisch oder noch schlimmer für egozentrisch halten.

    Es gelingt Dir einfach nicht, Dir selber die innere Erlaubnis zu geben, Freundlichkeit und Hilfe verdient zu haben.

    Es kann sein, dass Du meinst, es nicht verdient zu haben, Dass Deine Wünsche vorgehen und es verdienen unterstützt zu werden.
    Es kann sein, dass Du meinst, dass andere Menschen vorgehen und wichtiger sind als Du selbst.
    Es kann sein, dass Du meinst, Du kannst viel tragen und aushalten.
    Es kann auch sein, dass Du denkst: Für andere nehme ich mich gerne zurück.
    Mit solchen Gedanken und inneren Überzeugungen kannst Du Dich leider nicht bedürftig zeigen.
    Es kann sein, dass Du Dich selber für unzureichend hälst und dies nicht nach außen hin zeigen magst.
    Es kann sein, dass Du Dich bis an die Grenze Deiner emotionalen Belastbarkeit so lange alleine mit Deinem Problem abquälst, bis Du völlig erschöpft und verzweifelt bist und Dich manchmal sogar vor Angst und Scham schon gar nicht mehr aus dem Haus traust.
    Dabei kann es sein, dass Du dann, wenn Du den ersten Schritt machst und anfängst, über Deine Probleme zu reden, bemerskst, was für eine Entlastung das ist und wie unendlich gut es Dir tut, Dir allen Schmerz der sich schon so lange in Dir aufgestaut hat, endlich einmal auszusprechen. 

Doch: wie kommst Du nun dahin, dass Du diesen ersten Schritt machen kannst?

Wie kannst Du Dich von Deinen alten, jahrelang oft jahrzehntelang gepflegten Überzeugungen, damit verbundenen unangenehmen Gefühlen und Verhaltensmustern befreien?

  1. Schritt:
    Setze Dich bewußt damit auseinander, dass Du einen Glaubenssatz hast, mit dem Du dir mehr schadest als nutzt.
  2. Schritt:
    Entscheide Dich, Dein inneres Programm zu verändern und Neues auszuprobieren und in Dein Leben hinein zu lassen. 
  3. Schritt:
    Schau, ob Du es kleinschnittig irgendwo in Deinem Leben ausprobieren kannst. Es muss ja nicht gleich Deine aktuelle Großbaustelle sein…
  4. Schritt:
    Sei einmal Schauspielerin und stelle Dir vor, Du bist in einem Theaterstück die Bettlerin. Einen halben Tag lang bettelst Du jeden Menschen spielerisch an, verrätst aber nicht, dass Du es eigentlich nur vorspielst. 
  5. Schritt:
    Spüre genau in Dich hinein was Du empfindest und wo Du es körperlich jeweils spürst. Spüre auch genau hin, wie Du es empfindest, wenn Du zurück gewiesen wirst und wenn Deine Bitte angenommen und erfüllt wird. Komme auf diese Weise wieder in Kontakt mit allen Deinen Gefühlen und Bedürfnissen, die Du so viele Jahre lang abgewehrt hast, um nicht noch weiter verletzt zu werden.
    Jetzt bist Du groß und erwachsen. Das Alte liegt hinter Dir.
    Jetzt darf Neues entstehen. Du darfst Neues entstehen lassen. 
  6. Schritt:
    Spreche mit einem Menschen Deines Vertrauens darüber, vielleicht mit der Paarcoachin, die Du Dir mittlerweile ausgesucht hast, um auszuprobieren, ob Du mit Hilfe besser klar kommst…..
  7. Schritt:
    Prüfe alles, bewege es in Deinem Herzen und finde heraus, was heute für Dich stimmig ist und, ob dieser Satz noch bei Dir bleiben und Dich schützen muss. oder ob er gehen darf; denn: 

Nun kann Neues in Dir und Deinem Leben, das noch vor Dir liegt, entstehen!

Liebe Grüße Deine Evelyn!

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