Wie ich es erlebte, dass ich meine geliebte Lotta einschläfern lassen musste. 

MoRueBli 01-2024

So oft sah ich aus dem Augenwinkel zu, wenn Männer und Frauen schluchzend und weinend beim Tierarzt aus dem Behandlungszimmer kamen.  – Ohne ihr geliebtes Tier.

So oft dachte ich mir „wie furchtbar, so eine Erfahrung machen zu müssen. So plötzlich und unvermittelt zu hören: Ihr Tier ist nicht mehr zu retten.“

Und jetzt war es soweit!

Ich fuhr guten Mutes mit Lotta zur Tierarztpraxis und hätte im Leben nicht geglaubt dass es so schlimm um sie bestellt ist. Sie hatte dicke Gelenke bekommen, hohes Fieber und es ging ihr mit einem Mal sehr schlecht.

Die Ärztin war bereits Anfang Januar sehr entsetzt über die schlechten Blutwerte und behandelte die Anaplasmose. Dies überlagerte das zentralere Gesundheitsthema, die tumoröse Veränderung ihrer inneren Organe, die schon nicht mehr arbeiteten.

Lotta ging jede Tag wacker die Runde mit uns mit. Tag für Tag. Ja, sie war schlapper als sonst, ging langsamer, gemächlicher – ihrem Alter entsprechend. So dachte ich.

Sie ging sogar noch morgens an dem Tag mit, als sie dann starb. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich ihren Blick sehe. Sie schaute ein letztes Mal in Richtung Wald. Hier ruhte sie sich schon einen Moment mitten auf dem Trampelpfad des Ackers aus. Konnte einfach nicht mehr weiter gehen. Dann sah sie mich an. Ich motivierte sie, mit heim zu kommen und mein Mann wartete schon am Feldrand auf sie, weil er sie schon tags zuvor mit dem Auto abgeholt hatte. 

Lotta kam bereitwillig mit, doch sie sträubte sich sehr an den Stufe der Tierarztpraxis. Ich zog sie hinein. Sie ging widerstrebend mit. Jetzt weiß ich, warum. 

Sie ließ alle Untersuchungen lieb, wie sie nun mal war, geduldig über sich ergehen. Hörte das Entsetzen beider Ärztinnen. 

Dann das dicke rote Schild an der Tür: Bitte nicht stören. Wir hatten nun alle Zeit der Welt, von einander Abschied zu nehmen.

Dieser letzte Gang.

Ich war bereits in Tränen aufgelöst.

Fassungslos.

Damit hatte ich nicht gerechnet.

Ja, sie war ein Hund, der schon das stolze Alter von fast 12 Jahren erreicht hatte.
Ja, sie hat letztes Jahr eine Totaloperation mit einem großen bösartigen und seltenen Tumor gehabt.
Ja, die Kontrolluntersuchung war erfreulich unauffällig.

Und jetzt das. Blankes Entsetzen. Ich fühlte mich so hilflos wie schon lange nicht mehr.

In Anbetracht des Todes ist man nun mal hilflos. Die Ärztin war sehr empathisch. Lotta hatte kaum noch Blut in ihren Beinchen. Sie ließ glaube ich bereits los, als ich die Diagnose bekam. Sie hatte starke innere Blutungen und Flüssigkeit im Bauchraum. Irreversibler Leber und Milz-Schaden. Was für eine furchtbare Diagnose.

Ich wurde gebeten, sie auf der Stelle zu erlösen. Da habe ich mit ihr die ganze Zeit intensiv zusammen gelebt. War mit ihr in Behandlung. Und jetzt das.

Sie war bis zuletzt die Treppen mit rauf gelaufen. Sicher mit unserer Sicherheit, die wir ihr gaben, indem wir hinter ihr her liefen und sie hätte auffangen können. Doch sie war immer dabei.

Sie fraß bis zuletzt gerne. Nur die letzten zwei Tage nicht mehr. Ich schob es auf die starken Antibiotika, dass sie ein paar Magenprobleme dadurch bekommen hatte. Sie fraß nicht mehr, trank aber viel mehr als üblich. War lieb, ruhig, kam kaum noch hoch von der Liegestelle. Ich schob es auf die Arthrose…, denn es wurde besser, sobald sie dann lief.

Ach Lotta. Du fehlst. 

Ich bedankte mich bei ihr für die wundervolle Zeit, die sie uns geschenkt hat. Sie war ein wundervolles Tier. Ausgeglichen. Sanftmütig. Selbstbewußt und kraftvoll. Panzer nannte ich sie oft. Weil sie ihren Kopf gerne auch durchsetzte. Wer sagt, dass Retriever Anfängerhunde sind, verschweigt, dass es Exemplare gibt, die sicherlich nicht für Anfänger geeignet sind. Lotta hatte Sturm- und Drangphasen. Doch sie war immer lieb und eine Lichtbringerin. Strahlte Freude aus, zauberte uns immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.

So viele schöne Erinnerungen haben wir an sie. An gemeinsame Zeiten. Zuletzt rettete sie in Holland meinen Mann aus der Nordsee. Sie ging allen Ernstes ins Wasser und schwamm zu ihm hin. So wie früher. Wir freuten uns, dass sie in Holland nochmals eine so gute Zeit mit uns hatte. 

Ach Lotta, da lagst du nun auf dem Boden des Behandlungszimmers. Mir blieb nichts anderes übrig, als dich noch die ganze Zeit zu berühren, zu liebkosen, dir Worte der Dankbarkeit in deine Ohren zu flüstern, die du wahrscheinlich auf deiner Reise gar nicht mehr wahrnehmen konntest.

Geliebte Lotta. Lichtbringerin!

Ich habe dich nicht gerne gehen lassen. Doch war es gut, zu sehen, wie deine gestresste Atmung allmählich zur Ruhe kam. Drei Spritzen waren nötig, bis du dann deinen letzten Atemzug getan hast. Schon längst hast du geschlafen. Jetzt schläfst du für immer. Für immer. 

Für immer in meinem und unseren Herzen. Meine Lotta. Unsere Lotta. 

Danke für eine wundervolle Zeit mit dir. Vieles hast du mich gelehrt. Ohne Worte. Einfach durch dein Sein. Dein so Sein. dein mit uns sein. 

Danke danke danke. Wie sollte ich dir diesen letzten Liebesdienst nicht erweisen? Hätte ich zuschauen sollen, wie du langsam verendest? Nein. Sicher nicht. Liebesdienst. Schwerster Liebesdienst. 

Meine Kehle drückt sich zu. Tränen steigen erneut auf. 

So was ist ein traumatisches Erlebnis. 

Doch kaum schreibe ich es auf, so atme ich tief auf. 

Ja so ist es. Traumatisch. Ich verstehe nicht, wie Menschen sofort danach zur Tagesordnung übergehen können. 

Ich kann es nicht. Ich gönnte mir einige Tage Ruhe. Entschleunigung. Abschied nehmen. Denn der Abschied in der Praxis kam schon sehr überraschend und schnell für mich. Entschleunigung, damit die Seele nachkommen kann. und es war gut so.

Wir haben als Menschen Trauerzeiten. Warum sollte ich mir diese nicht für meinen Hund gönnen, mit dem ich 12 Jahre lang 24/7 zusammen lebte? Da geht ein Stück von mir. Ein Stück von uns allen. Sie gehörte zu mir, zu uns einfach dazu.

Ich bin dankbar für die Umstände, die trotz allem für mich und Lotta sehr gut waren.
Dankbar für die emphatische Art der Ärztin.
Dankbar für die Zeit und den Raum, den wir hatten.

Es waren mehrere Stunden, die wir gemeinsam verbrachten, bis Lotta verstarb. Auch die Tierärztin sagte, dass es für sie schwer auszuhalten ist, ein Tier gehen lassen zu müssen.  

Nun war ich eine von ihnen, von denen, die weinend und ohne Hund aus dem Raum traten. 

Aufatmen. Ja. So isses nun mal.

Lotta lag immer gerne im Garten auf dem Rücken. Sonnte sich. Dort in der Nähe im Beet habe ich nun ein Loch ausgehoben. Sie wird dort beigesetzt. In einer kleinen Begräbnisfeier. Das sind wir ihr schuldig. Sie wird eingeäschert.

Wenn wir von der Terrasse aus in den Garten schauen, sehen wir die Stelle, an der sie liegen wird. Mittendrin. So muss es sein.

12 Jahre gelebtes Leben sind nun zu Ende gegangen.

Das Leben geht weiter. Ohne Lotta. Doch im Herzen hast du deinen Platz nicht nur bei mir. Sondern bei sehr vielen.

Dein Frauchen

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